Elektroautos und Minusgrade: Passt das zusammen? Norwegen beweist es – mit einer gut aufgestellten Ladeinfrastruktur. Inge Prøsch berichtet, wie das Land zum Vorreiter der Elektromobilität wurde.
Sechs Jahre Elektroauto und unzählige Fahrten im Winter: Inge Prøsch ist von der Elektromobilität überzeugt. Zurück zum Verbrenner? Das kommt für den 61-Jährigen, der in Tønsberg südlich von Oslo lebt, nicht in Frage. Auch seine Frau, die jahrelang einen Benziner fuhr, ist vor zwei Jahren auf einen elektrischen Wagen umgestiegen.
Und das tun immer mehr Autofahrerinnen und Autofahrer in Norwegen. Das skandinavische Land hat in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung hin zur Elektromobilität vollzogen. Im Jahr 2024 waren rund 89 Prozent der verkauften Neuwagen elektrisch angetrieben – selbst im nördlichsten und am dünnsten besiedelten Landkreis Finnmark ist fast jeder neue Pkw ein Elektroauto. Und das, obwohl Norwegen mit seinen eisigen Wintern, langen Distanzen und steilen Gebirgspässen keine idealen Voraussetzungen für Elektromobilität bietet.
Herr Prøsch, wie sind Sie zum Elektroauto gekommen?
Inge Prøsch: Über meine Kolleginnen und Kollegen. 2012 haben viele von ihnen begonnen, mit dem Elektroauto ins Büro zu fahren. Anfangs fand ich die Vorstellung, meinen Wagen regelmäßig aufladen zu müssen, lästig. Ich hatte – wie viele andere auch – meine Bedenken. Die ersten Fahrzeuge hatten noch eine sehr geringe Reichweite von etwa 150 Kilometern, im Winter eher die Hälfte. Das fand ich nicht so attraktiv. Ich bin deshalb zunächst zu einem Hybridauto umgestiegen. 2018 habe ich den Sprung zum E-Auto gewagt. Mein erster Wagen hatte eine Reichweite von etwa 380 Kilometern. Mein jetziges Auto kommt im Sommer rund 570 Kilometer weit. Und das reicht völlig aus. Ich kann damit zum Flughafen und in die Berge fahren, ohne nachzuladen.
Was hat Sie zum Umstieg motiviert?
Prøsch: Manche mögen das Geräusch eines Verbrennungsmotors. Ich hingegen habe das sanfte, leise und reibungslose Fahren lieben gelernt. Ich mag, dass ich nicht schalten muss und das Auto schnell beschleunigt. Gleichzeitig gab es bereits sehr früh Fördermaßnahmen und Anreize für die Elektromobilität. Obwohl wir ein Ölförderland sind, sind die Benzinpreise sehr hoch. Strom ist billiger. Er ist überall verfügbar – zu Hause und unterwegs. Außerdem profitieren Besitzerinnen und Besitzer von emissionsfreien Fahrzeugen von niedrigeren Steuern, günstigeren Mautgebühren und Fährtickets.
Inge Prøsch fährt seit 2018 elektrisch – wie inzwischen fast alle Neuwagen-Käufer in Norwegen. Foto: Inge Prøsch
Wie laden Sie Ihr Auto?
Prøsch: Während einer normalen Arbeitswoche lade ich mein Auto hauptsächlich an unserer Wallbox zu Hause. Einmal aufgeladen, reicht die Batterie für eine Woche. Wenn ich eine längere Strecke fahre, nutze ich die öffentliche Ladeinfrastruktur. An den Schnellladepunkten kann ich in weniger als einer halben Stunde von 20 auf 80 Prozent laden und dann wieder für mehrere Stunden fahren. Ich muss nicht viel im Voraus planen. Das Navigationssystem im Bordcomputer oder auf dem Smartphone plant die Route und zeigt die Schnellladepunkte entlang der Strecke an.
Wie gut ist die Ladeinfrastruktur in Norwegen?
Prøsch: Norwegen verfügt über ein flächendeckendes Ladenetz. Überall im Land gibt es öffentlich zugängliche Ladestationen. Selbst die ländlichen Gebiete sind gut versorgt. Als ich im Oktober zu einer Hochzeit 600 Kilometer in die Mitte Norwegens gefahren bin, habe ich die Berge überquert und auch dort Ladesäulen gefunden. Dank der Schnellladepunkte ist der Ladevorgang im Laufe der Jahre auch einfacher und schneller geworden. Das liegt auch daran, dass die Autos mittlerweile mehr Strom in kürzerer Zeit aufnehmen können.
Gibt es auch mal Staus an den Ladesäulen?
Prøsch: Ich habe gehört, dass es am Ende der Winterferien, wenn alle aus dem Urlaub zurückkommen, manchmal etwas voller werden kann. Aber ich selbst habe das noch nie gesehen oder erlebt. An den Standorten gibt es bis zu 15 Ladepunkte, von denen meist nur zwei oder drei zeitgleich benutzt werden.
Apropos Winter: Können Sie mit dem Elektroauto auch bei kalten Temperaturen zuverlässig unterwegs sein?
Prøsch: Ein E-Auto im Winter zu starten ist überhaupt kein Problem – auch nicht bei -20 Grad. Die Reichweite reduziert sich allerdings schon. Mein Auto schafft im Sommer etwa 570 Kilometer, im Winter nur 350 bis 400. Für die täglichen Fahrten spielt das aber keine Rolle. Wenn ich länger unterwegs bin, muss ich vielleicht mal nachladen oder etwas vorausschauender fahren. Aber das finde ich nicht schlimm. Dann halte ich eben für ein paar Minuten an, lade und fahre weiter.
Wie kann man Autofahrerinnen und Autofahrer die Angst vor dem Umstieg auf Elektroautos nehmen?
Prøsch: Viele Menschen sind besorgt, dass das Aufladen ihre Mobilität einschränkt. Ich halte diese Angst für unbegründet. Im Alltag kann man eine ganze Woche lang mit dem Auto fahren, ohne nachzuladen. Selbst wenn man keine Wallbox zu Hause hat, kann man vielleicht am Wochenende zu einer Ladestation fahren und das Auto für ein paar Minuten anhängen, während man Sport treibt oder essen geht. Mit dem Ausbau der Infrastruktur wird das sicher noch einfacher werden.